Die Häufigkeit von Eisenmangel bei Kindern in Entwicklungsländern ist erschreckend hoch. Nach WHO-
Angaben sind aktuell 48 % aller Kinder unter 2 Jahren betroffen und 53 % aller Kinder im Schulalter. In
wirtschaftlich entwickelten Ländern ist die Prävalenz von Eisenmangel bei Kindern sehr viel geringer. In den
USA wurden im National Health and Nutrtion Examination Survey III (NHANESIII, 1988-1994) Daten von 5398
Kindern im Alter von 6-16 Jahren erhoben. Danach weisen insgesamt 3 % Anzeichen eines Eisenmangel mit
und ohne Anämie auf. Am häufigsten war ein Eisenmangel in der Gruppe der weiblichen Teenager (8.7 %) und
bei Kleinkindern (9 %) (17, 18).
Ernährungsbedingter Eisenmangel. Ein generelles Problem ist der sehr große Eisenbedarf im starken
Körperwachstum. Die Probleme beginnen bereits im Säuglingsalter, wo die notwendige Eisenmasse (250
mg/Jahr) durch die Muttermilch allein (ca. 57 mg Fe/Jahr) nicht annähernd bereitgestellt werden kann. In einer
Studie an Säuglingen, die ausschließlich Muttermilch erhielten, waren im Alter von 9 Monaten 28 % anämisch
gegenüber 7 % einer Gruppe, die ab dem 6 Monaten zusätzlich mit einer Eisen- und Vitamin-C reichen Diät
zugefüttert wurden (19). Eine Untersuchung der Ernährungszusammensetzung bei Vorschulkindern zeigte
einen Zusammenhang zwischen milchbasierter Ernährung und Eisenmangel auf („Milkaholics”). Kinder mit einer
Diät aus Früchten, Gemüse, Fleisch und Fisch hatten signifikant höhere Ferritinwerte als Kindern mit einer
Ernährung aus Milch- und Milchprodukten. Eine typische westliche Ernährung enthält etwa 6 mg Eisen pro 1000
kcal, erstaunlicherweise fast unabhängig von der Zusammensetzung der Nahrung. Das genügt bei normaler
Ernährung außerhalb von Risikogruppen, reicht im Wachstum bzw. mit Beginn der Regelblutung bei Mädchen
oft nicht mehr aus. Daher sollten sich Kinder und Jugendliche nicht ohne Grund kalorien-reduziert, streng
vegetarisch, oder mit sonstigen einseitigen Diäten ernähren, was aber in der Praxis heute leider eher die Regel
als die Ausnahme ist. Für wirtschaftlich entwickelte Länder kann daraus nur geschlussfolgert werden, dass
bezüglich Eisenversorgung mehr Information und Aufklärung über eine ausgewogene Ernährung im Kindesalter
notwendig ist (20).
Die verschärfte Situation in der 3. Welt hat zu vielfältigen Aktivitäten in Richtung Eisenzusätzen zu
Grundnahrungsmitteln geführt. In einigen Ländern (auch Deutschland) wird aber die nicht zielgerichtete
Fortifikation von Nahrungsmitteln mit Eisen eher kritisch gesehen (21).
Eisenmangel im Kindes- und Jugendlichenalter ist also überwiegend in der inadäquaten Nahrungs-Eisenzufuhr
zu sehen. In Einzelfällen, meist verbunden mit einer schweren Anämie, können aber auch Erkrankungen des
Magen-Darmtraktes vorliegen, bei denen entweder kein Eisen aufgenommen werden kann, oder Eisen in Form
von gastrointestinalen Blutverlusten verloren geht. Bei jedem diagnostizierten Eisenmangel, insbesondere bei
Patienten mit rezidivierender Anämie, sollte deshalb gründlich nach der Ursache des Symptoms ‘Eisenmangel’
gesucht werden.
Menstruierende Frauen
Unter allen Frauen sind menstruierende Frauen, insbesondere Teenager, am meisten gefährdet für
Eisenmangel. Ursache ist der zusätzliche Eisenbedarf durch den menstruellen Blutverlust. In einer älteren
Studie an 476 Frauen wurde der Blutverlust mit aufwendigen Methoden analysiert (22).
Im Mittel betrug der menstruelle Blutverlust 30 ml (=15 mg Eisenverlust) und bleibt über viele Jahre individuell
relativ konstant (2-3). 95 % dieser Frauen benötigen eine tägliche Eisenaufnahme von bis zu 2.8 mg, um eine
ausgeglichene Eisenbilanz sicherzustellen (23). Dieser tägliche Eisenbedarf ist vergleichsweise hoch,
berücksichtigt man, dass Männer bei größerem Körpergewicht und meist deutlich höherer Nahrungsaufnahme
nur ca. 1-1.5 mg Eisen/Tag benötigen. Bereits die normale Menstruation führt deshalb häufig zu einem leichten
Eisenmangel. In einer eigenen Untersuchung an 1400 jungen Frauen in Norddeutschland zeigten ca. 40 %
erschöpfte Eisenreserven (Serum-Ferritin < 30 µg/dL), 10 % wiesen keinerlei Eisenreserven auf und standen
deshalb an der Schwelle zur Eisenmangelanämie (Abb. 6) (24)
Abb.6.
Hämoglobin und Serum-Ferritin bei 2800 Blutspendekanditaten bei der Erstuntersuchung. Ca. 40 % der Frauen
zeigten erniedrigte Ferritinwerte als Ausdruck eines Speichereisenmangels. Ca. 10 % hatten keine Eisenreserven und
standen kurz vor der Eisenmangelanämie (24).
Schwangerschaft, post-Partum und Stillen
In der Schwangerschaft wird Eisen benötigt für das Zellwachstum und vor allem für die Blutbildung des Kindes.
Zusätzlich kommt es bei der Geburt zu einem Blutverlust, außerdem geht die Plazenta verloren (Abb. 7)
Insgesamt addiert sich eine erfolgreiche Schwangerschaft auf 600- 800 mg Eisen, das die Mutter zusätzlich aus
der Nahrung aufnehmen muss (25). Der Hauptbedarf fällt in letzten Trimenon an, in dem die Blutbildung des
Fötus stattfindet. Inkl. des Eigenbedarfs muss die Schwangere im Mittel ca. 5 mg Fe/Tag aufnehmen, was aus
der Nahrung praktisch unmöglich ist (25). Im Einzellfall kommt es damit auf das Vorhandensein von
individuellen Eisenreserven an, die insbesondere Multipara in der 3. Welt nicht haben und daher in dieser Zeit
mehr oder weniger stark anämisch sind, was die Entwicklung des das überleben der zu gebärenden Kinder
gefährdet.
Abb. 7.
Eisenbedarf in der Schwangerschaft.
Der Sinn einer Eisensupplementation oder einer Eisenmedikation ist in dieser Situation unbestreitbar. Eine
aktuelle große Studie aus China zeigt die positive Auswirkungen einer Eisenmedikation bei Schwangeren (Abb.
8) (26).
Abb. 8. Mortalität von Neugeborenen binnen 28 Tage nach Geburt in Abhängigkeit von einer
Supplementation mit Eisen, Folsäure, oder einer Multi-Vitamin/Mineral-Präparation (26)
Die alleinige Folsäuregabe war danach deutlich weniger wirksam als eine Multispurenelement-Substitution mit
Eisen und vor allem Eisen mit Folsäure. Eine reine Eisensubstitution wurde nicht durchgeführt, doch zeigt sich
hier eindeutig die positive Wirkung von Eisen auf die Neugeborenensterblichkeit.
Post-Partum besteht ein hohes Risiko für einen Eisenmangel mit und ohne Anämie der jungen Mutter. Hier wird
ein Screening empfohlen (Serum-Ferritin) und eine evtl. orale Eisentherapie.
Insgesamt spielen besonders bei Frauen die Essgewohnheiten eine wichtige Rolle. Die heute favorisierte
niedrig-Energie-Ernährung mit Cerealien und viel Gemüse hat den Nachteil, dass sie für Risikogruppen
bezüglich Eisenmangels zu wenig bioverfügbares Eisen enthält. Ein übersteigertes Schlankheitsideal in der
Jugend kann leicht zu vielfältigen Essstörungen führen, die insgesamt deutlich zunehmen. Gerade Frauen
sollten auf eine ausgewogene Ernährung achten und ein gesundes Körpergewicht einhalten. Wenn sie eine
starke Regelblutung haben, häufige Schwangerschaften durchmachen oder zusätzlich Blut spenden sollten sie
regelmäßig Ihre Eisenparameter kontrollieren lassen.
Der sozioökonomische Status spielt ebenfalls eine wichtige Rolle. Studien aus den USA zeigen, dass Frauen 0-
6 Monate post-partum zu 22 % anämisch sind, wenn sie aus Haushalten mit niedrigen Einkommen kommen,
gegenüber 10 % aller Frauen in den USA. (27). Frauen mit weniger Einkommen führen weniger Nahrungseisen
zu und benutzen wenige Eisensupplementation während Schwangerschaften. Das könnte sich als Trend im
Rahmen der Wirtschaftkrise auch bei uns zukünftig verstärkt auftreten.
Blutspender
Beim Blutspenden gehen erhebliche Mengen Eisen verloren (500 ml Standardblutspende= 250 mg Eisen). Für
gesunde junge Gelegenheitsspender im Rahmen von z.B. „Aktionstagen“ ist das kein großes gesundheitliches
Risiko. Große Blutspendezentralen haben aber aus naheliegenden Gründen (geringeres Infektionsrisiko,
Planbarkeit) ein eindeutiges Interesse daran, einen festen Spenderstamm zu rekrutieren. Dabei wird durchaus
angestrebt, die maximale mögliche Blutentnahmemenge von 3000 ml bei Männern und 2000 ml pro Jahr bei
Frauen gemäß den Richtlinien zur Gewinnung von Blut und Blutbestandteilen In der Praxis wirklich
auszuschöpfen (28). Das bedeutet allerdings einen ganz erheblichen Eisenverlust, der aus der Nahrung allein
kaum zu ersetzen ist (Abb.9). Blutspender, insbesondere Dauerblutspender sind daher seit vielen Jahrzehnten
ein Synonym für Personen mit obligatem Eisenmangel (28).
Abb. 9. Eisenbedarf bei Dauerblutspendern.
Es ist immer wieder gefordert worden, die Blutspende automatisch mit einer oralen Eisentherapie zu koppeln,
um den Eisenstatus von Blutspendern wirksam zu verbessern (29). In Studien ist die Wirksamkeit von solchen
Maßnahmen eindeutig belegt worden (30). Trotzdem wird dies bis heute nicht in Richtlinien verbindlich
aufgenommen, weil man damit den gesundheitsgefährdenden Eisenverlust quasi rechtsverbindlich anerkennen
würde, und damit den Blutspender zum Patienten umdefinieren müsste, was sicher abschreckend wirkt.
Interessanterweise gibt es einige Blutspender, die 6 mal/Jahr spenden und keinen Eisenmangel entwickeln.
Hier wurde vermutet, dass sich unter diesen Superspendern Probanden mit unentdeckter erblicher
Eisenspeicherkrankheit verbergen, weil sie den Eisenverlust gut aushalten (31). Dieser Punkt ist aber
abschließend nicht geklärt.
Diagnostisch problematisch sind Blutspender, die wegen einer Eisenmangelanämie gesperrt werden. Bei
dieser Vorgeschichte ist man ärztlicherseits leicht geneigt, die Blutspende als plausiblen Blutverlust
anzuerkennen und damit nach gastrointestinalen Blutungsquellen gar nicht erst zu suchen. Grundsätzlich
wichtig ist deshalb, dass alle Blutspender ihren Eisenstatuts regelmäßig überprüfen lassen und im Einzelfall
auch regelmäßig eine orale Eisentherapie einnehmen sollten. Das gilt insbesondere für menstruierende Frauen,
die schon basal Probleme mit einer ausreichenden Eisenversorgung haben.
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Risikogruppen für Eisenmangel
Versuche zur genauen Bestimmung der Speichereisenmenge
durch quantitative Phlebotomien gibt es nur von freiwilligen
Erwachsenen. Der Eisenstatus bei Kindern und Jugendlichen
ist dagegen nur durch Serum-Ferritin-Werte untersucht. Eine
häufig benutze Relation 1 µg/l Serum-Ferritin = 8 mg
Speicher-Fe gibt ungefähr eine Abschätzung über Speicher-
Eisen bei Kindern (15). Der Verlauf der Ferritinkonzentration
im Blutplasma ist für Jungen und Mädchen bis zum 13./14.
Lebensjahr in etwa gleich, danach liegt das Ferritin bei
männlichen Jugendlichen und Erwachsenen stets höher (Abb.
5).
Eisentherapie
alterthümliche Form der
Eisentherapie. Fruchtsäure löst
kleine Mengen Eisen auf.
Abb. 5.
Verlauf Serum-Ferritin-Konzentration in Abhängigkeit vom Lebensalter.
Modifiziert nach Dallmann et al. (16).